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Treibhaus-Emissionen

23.03.2006 / junge Welt

Viel heiße Luft

In einem irreführenden Nachhaltigkeitsbericht präsentiert sich der Bayer-Konzern als Klimaschützer.
Von Philipp Mimkes und Jürgen Rochlitz

Seit den 70er Jahren kritisieren Umweltschützer den Bayer-Konzern für seinen gewaltigen Wasser- und Energieverbrauch und von ihm verursachte Emissionen. Außerdem gefährden langlebige Bayer-Produkte wie polychlorierte Biphenyle, Pestizide, Weichmacher und Chlororganika die Umwelt. Um sein in dieser Hinsicht stark lädiertes Ansehen aufzubessern, startete der Konzern Kooperationen mit »glaubwürdigen Partnern« wie den UN, wurde Mitglied in »grünen« Unternehmerverbänden wie dem »Forum Nachhaltige Entwicklung«, spendete für karitative Einrichtungen. Flankiert werden diese Aktivitäten von einer massiven Öffentlichkeitsarbeit. Bereiche, in denen Bayer in der Kritik steht, sollen positiv besetzt werden.

Gegenwärtig wird in den Publikationen des Konzerns der »nachhaltige Beitrag zum Klimaschutz« an erster Stelle genannt. So heißt es im »Bayer Nachhaltigkeitsbericht«: »Konzernweit wurde die direkte Emission klimarelevanter Gase seit 1990 deutlich über 60 Prozent reduziert«. Der Ausstoß von Kohlendioxid sei von 10,1 auf 5,2 Millionen Tonnen gesunken. Und auch die Emission anderer klimaaktiver Gase sei verringert worden.

Bei genauerer Betrachtung der Daten zeigt sich, daß der Rückgang der Emissionen auf drei Entwicklungen beruht, von denen nur eine tatsächlich ökologisch relevant ist:

1. Der Fremdbezug von Energie ist stark gestiegen. Während Bayer im Jahr 1992 noch 83 Prozent seines Bedarfs selbst erzeugte, waren es zehn Jahre später nur noch 58 Prozent. Die bei den externen Energielieferanten anfallenden CO2-Emissionen tauchen nicht in der Klimabilanz von Bayer auf.

2. Im Jahr 2001 wurde die Tochter EC Erdölchemie verkauft. Die Firma war für einen Kohlendioxid-Ausstoß von 3,1 Millionen Tonnen verantwortlich. Diese Emissionen wurden also lediglich umgebucht – auf das Konto des neuen Besitzers BP.

3. Noch 1990 emittierte der Konzern jährlich rund 16 000 Tonnen des extrem klimaschädlichen Lachgases. Diese Menge wurde um 90 Prozent reduziert.

Nur die von Umweltschützern seit langem geforderte Reduktion des Lachgasausstoßes ist tatsächlich ökologisch relevant. Die Emissionen der Erdölchemie fallen weiterhin an, ebenso die der Energiezulieferer. Die von Unternehmenssprechern behauptete Verringerung der Emissionen beruht also größtenteils auf Umstrukturierungen – was dem Klima zwar nichts nutzt, aber die Bayer-Bilanz besser aussehen lässt.

Rechentricks
Sogar die – eigentlich konzernfreundliche – Unternehmensberatung Arthur D. Little moniert den geschönten Nachhaltigkeitsbericht: »Neben dem Energieverbrauch werden auch die CO2-Emissionen dargestellt. Allerdings ist diese Information von begrenzter Relevanz, weil Emissionen aus der Produktion extern erzeugter Energie nicht berücksichtigt werden und die berichtete Reduzierung zum Teil aus dem zunehmenden ›Outsourcing‹ der eigenen Energieerzeugung resultiert.«

Erst beim näheren Hinsehen erschließt sich also, was Bayer mit dem Ausdruck »direkte« Emissionen meint. Gegenüber der Presse wird die sprachliche Unterscheidung zwischen »Emissionen« und »direkten Emissionen«, die den meisten sowieso unklar ist, häufig ganz fallengelassen. Unternehmenssprecher Michael Schade sprach mehrfach von »60 Prozent reduzierten Emissionen von Treibhausgasen« – eine bewußte Irreführung der Öffentlichkeit.

Der absolute Ausstoß von Klimagasen geht aus dem »Bayer Nachhaltigkeitsbericht« nicht hervor und läßt sich nur überschlagsmäßig berechnen. Hierfür müssen die Emissionen der Energiezulieferer zu den von Bayer angegebenen Zahlen addiert werden.

Nimmt man an, daß Bayer seinen Strom von relativ klimafreundlichen Erdgaskraftwerken bezieht, so ergibt sich ein CO2-Ausstoß der Zulieferer von 5,6 Millionen Tonnen. Addiert man diese Zahlen zu den »direkten« Emissionen, so liegt der CO2-Ausstoß in der gesamten Zulieferkette des Konzerns seit 1990 fast konstant bei elf Millionen Tonnen. Eine genaue Berechnung ist zwar unmöglich, da Bayer in dem 140seitigen Bericht die essentiellen Angaben zu seinen Energiezulieferern verschweigt. In jedem Fall aber ist die Kernaussage des um »60 Prozent reduzierten Ausstoßes von Klimagasen« unhaltbar.

Daß es ehrlicher geht, macht ausgerechnet die Konkurrenz aus Ludwigshafen vor. Der größte Chemiekonzern der Welt, die BASF, emittierte 2004 mit 20,7 Millionen Tonnen beinahe die doppelte Menge Kohlendioxid. Allerdings hatte es der Chemiegigant nicht nötig, seine Bilanz schönzurechnen – die extern bezogene Energie wurde mitberücksichtigt.

Vogel abgeschossen
Allein Bayer und BASF sind für rund vier Prozent des CO2-Ausstoßes in Deutschland verantwortlich. Die Chemie bleibt nach Strom- und Metallproduktion der Klimakiller Nummer drei. Insgesamt kommt die deutsche Industrie auf einen CO2-Ausstoß von rund 550 Millionen Tonnen und nimmt in Europa den Spitzenplatz ein. Wirklicher Klimaschutz wäre nur mit einer drastischen Reduktion dieser industriellen Emissionen möglich.

Bayer versteht es trefflich, sich mit der frisierten Bilanz in Szene zu setzen. Der Konzern wurde in den »Climate Leadership Index« aufgenommen, den »ersten weltweiten Klimaschutz-Aktienindex«. Im Dezember wurde Bayer im Zuge des Klimagipfels von Montreal gar mit dem »Low Carbon Leaders Award« ausgezeichnet. Die Presse berichtete ausführlich – stets mit dem Hinweis auf die »um 60 Prozent reduzierten Emissionen«.

Politik und Behörden übernehmen diese Aussage unreflektiert – die UN-Umweltbehörde UNEP ebenso wie die Landesregierung Nordrhein-Westfalens. Den Vogel abgeschossen hat ausgerechnet der Grünen-Abgeordnete Reinhard Loske bei einer Rede im Bundestag: »Bayer wurde als eines der Unternehmen ausgezeichnet, die sich weltweit am meisten für den Klimaschutz einsetzen. Dazu sage ich nur: Chapeau! Weil mein Wahlkreis in Leverkusen ist, habe ich dem Unternehmen geschrieben; denn ich finde das, was Bayer in diesem Bereich tut, prima.«

Um das Klimaziel eines bis 2050 um 80 Prozent verminderten CO2-Ausstoßes zu erreichen, muß Bayer den Energieverbrauch substantiell reduzieren. Umweltverbände fordern den Konzern auf, seinen Nachhaltigkeitsbericht zu korrigieren, vollständige Daten vorzulegen und effektive Schritte für eine reale Reduzierung der Kohlendioxidemissionen einzuleiten.

Philipp Mimkes ist Physiker und Mitarbeiter der Coordination gegen Bayer-Gefahren (www.CBGnetwork.de)
Jürgen Rochlitz ist Chemieprofessor und saß für die Grünen im Bundestag