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Gentechnik

Frankfurter Rundschau, 17. Dezember 2008

Wunderpflanzen gibt es nicht

Die Agroindustrie wird nicht müde zu behaupten, dass die Gentechnik geeignet sei, um dürre-, hitze-, kälte- oder salzresistente Pflanzen zu kreieren. Doch nicht an den Wunderpflanzen arbeiten die Konzerne nach einer BUND-Studie, sondern wie gehabt an Pflanzen, die ihren Unkrautvertilgern Stand halten.

Die Gentechnik könnte, glaubt man den Konzernen, nicht nur im Kampf gegen den Hunger in den von Trockenheit geplagten Zonen Afrikas ein Heilsbringer sein. Sie wäre zugleich ein wesentliches Instrument zur Lösung der Folgen eines bevorstehenden Klimawandels. Die Pflanzen, ob Weizen, Reis oder Mais, würden der globalen Erwärmung mit einer parallel einhergehenden Wüstenbildung trotzen.
Den Behauptungen zufolge könnte obendrein mit den Gen-Pflanzen der wachsende Ernährungsbedarf abgedeckt, die Welt mit Sprit vom Acker beliefert und mit maßgeschneiderten Pharmapflanzen versorgt werden.

"Eine gewaltige PR-Blase"
Doch diese vollmundigen Thesen scheinen sich als äußerst fragwürdig und zu phantasievoll zu erweisen. Für den Bund für Umwelt und Naturschutz BUND hat die Sozialwissenschaftlerin Ute Sprenger in einer Studie nachgewiesen, dass die Konzerne in puncto Gentechnik an vielem ernsthaft arbeiten und einiges auch bald auf den Markt bringen werden. Doch das Gros dieser Kreationen stelle lediglich eine Wiederholung längst bekannter und lediglich verbesserter neuer Pflanzeneigenschaften dar.

Sprenger und die Gentechnik-Expertin des BUND, Heike Moldenhauer, werfen den Konzernen vor, eine "gewaltige PR-Blase aus Heilsversprechungen aufzubauen". Schlimmer noch: Die neuen Gen-Pflanzen der sechs Agro-Giganten, Monsanto, BASF, Syngenta, Bayer, Dow und DuPont-Pioneer, sicherten mit den Neuentwicklungen lediglich ihr Kerngeschäft ab: Und das besteht im Absatz von Agro-Chemikalien wie Herbiziden, Insektiziden und Fungiziden.

"Das sind altbekannte Forschungen", sagt auch BUND-Chef Hubert Weiger. "Den Unternehmen geht es am Ende nur darum, mehr Pestizide zu verkaufen als bisher". Zwar gebe es Forschungen auch mit Pflanzen, die Trockenheit besser vertragen und höhere Erträge versprechen, sagt Weiger. Doch diese Projekte würden nach Erkenntnissen des BUND nicht mit hoher Priorität verfolgt und hätten zudem ungewisse Erfolgsaussichten.

Kombination mit Spritzmitteln
Die sechs Giganten des Marktes erwirtschafteten den Löwenanteil ihres Umsatzes mit chemischen Spritzmitteln. Ihr vorrangiges Interesse sei deshalb, herbizidresistente Pflanzen und die dazugehörigen Spritzmittel in Kombination zu verkaufen.

Das gelte auch für die seit 1996 genutzte Roundup-Ready-Sojabohne von Monsanto, der bisher einzigen kommerziell genutzten Gensoja-Sorte. Vergleichbare Sorten wie LibertyLink-Soja, Dicamba-Soja, 2,4-D-Soja, Imidazolinon-Soja und vermutlich auch "Super-Sojabohnen", die gegen sämtliche gängigen Herbizide resistent sein sollen, würden andere Hersteller in Kürze auf den Markt bringen.

In allen Fällen würden die Soja-Sorten gemeinsam mit dem jeweils dazugehörigen Herbizid verkauft, sagt Weiger. Damit würden alle sechs Konzerne das von Monsanto in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts entwickelte Konzept, herbizidresistente Pflanzen und das dazu gehörige Unkrautvernichtungsmittel im Doppelpack zu verkaufen, "ausreizen".

"Chemische Aufrüstung der Landwirtschaft"
Mit Hochtouren" würden die Firmen lediglich an einem Problem arbeiten: Denn Unkräuter drohten gegen die eingesetzten Herbizide wie Roundup immun zu werden, Insekten, die mit dem in die Pflanze eingebauten Killer getroffen werden sollen, zeigten sich zunehmend gegen den Bacillus thuringiensis widerstandsfähig. Mit einem Resistenzmanagement, mit Saaten, die verschiedenen chemischen Wirkstoffen trotzen, wollen die Konzerne dieses Problem in den Griff bekommen.

Die Folge, wie sie die BUND-Gentechnikexpertin Moldenhauer sieht: Kommen all diese Sorten demnächst auf den Markt, stehe die Welt "vor einer chemischen Aufrüstung der Landwirtschaft". Doch diese neuen Produkte hätten nichts mit den Versprechungen der Konzerne zu tun, den Hunger der Welt zu bekämpfen.

Stattdessen werde versucht, mit nicht belegbaren Behauptungen, "mit Vehemenz und viel Geld" für die "Akzeptanz einer Technologie zu werben", die eine klare Mehrheit der Bevölkerung ablehne. Das ist , so Sprenger in ihrer Studie, "eine massive Täuschung der Öffentlichkeit". Von Stephan Börnecke

BUND, Pressemitteilung vom 17.12.2008

Unrealistische Heilsversprechen

BUND-Studie belegt: Hauptinteresse an Gentechnik kommt aus agrochemischer Industrie
Die Ankündigungen der Gentechnik-Konzerne Monsanto, BASF, Syngenta, Bayer, Dow und DuPont-Pioneer, schon bald könne mit gentechnisch veränderten Nutzpflanzen der Welthunger bekämpft, die Energieversorgung gesichert oder dem Klimawandel begegnet werden, halten nach Analysen des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) einer Überprüfung nicht Stand. Eine von der Publizistin Ute Sprenger für den BUND erstellte Studie mit dem Titel "Die Heilsversprechen der Gentechnikindustrie - ein Realitäts-Check" erbrachte das Ergebnis, dass Gentech-Pflanzen mit den genannten Eigenschaften in absehbarer Zeit nicht zur Marktreife kommen werden. Für die Studie ausgewertet wurden die Forschungsvorhaben dieser sechs größten Gentechnik-Unternehmen weltweit, ihre Investorenberichte sowie Daten über bereits stattfindende bzw. geplante Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen. "Im ernstzunehmenden Stadium der Entwicklung befinden sich vor allem Gentech-Pflanzen mit den Eigenschaften Herbizid- bzw. Insektizidresistenz. Das sind die altbekannten Forschungen, bei denen es den Unternehmen am Ende darum geht, mehr Spritzmittel zu verkaufen als bisher", sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger in Berlin bei Vorstellung der Studie. Zwar werde auch an Pflanzen geforscht, die Trockenheit besser ertrügen und einen höheren Ertrag aufwiesen, dies jedoch nicht mit hoher Priorität und entgegen den Verlautbarungen aus der Industrie mit unklarem Zeitrahmen und ungewissem Erfolg. Alle genannten Gentechnik-Konzerne erwirtschafteten den Löwenanteil ihres Umsatzes mit chemischen Spritzmitteln. Ihr vorrangiges Interesse sei, herbizidresistente Pflanzen und dazugehörige Spritzmittel in Kombination zu verkaufen. Das gelte auch für die seit 1996 genutzte Roundup-Ready-Sojabohne von Monsanto, der bisher einzigen kommerziell genutzten Gensoja-Sorte. Vergleichbare Sorten wie LibertyLink-Soja, Dicamba-Soja, 2,4-D-Soja, Imidazolinon-Soja und vermutlich auch "Super-Sojabohnen", die gegen sämtliche gängigen Herbizide resistent sein sollen, würden andere Hersteller in Kürze auf den Markt bringen. In allen Fällen würden die Soja-Sorten gemeinsam mit dem jeweils dazugehörigen Herbizid verkauft. "Wenn all diese Gentech-Sorten auf die Äcker kommen, führt das zwingend zur weiteren chemischen Aufrüstung der Landwirtschaft", sagte Heike Moldenhauer, Gentechnikexpertin beim BUND. "Die Wunderpflanzen, die die PR-Abteilungen der Unternehmen den Menschen versprechen, haben wenig oder nichts mit jenen Pflanzen zu tun, an denen ihre Forscher arbeiten. Während die Firmen in den Medien eine gewaltige PR-Blase aus Heilsversprechen aufbauen, entwickeln sie im Hintergrund Pflanzen, die ihr Kerngeschäft, den Absatz von Agrochemikalien, absichern sollen", so Moldenhauer. Mit Vehemenz und viel Geld werde seitens der Unternehmen um Akzeptanz für eine Technologie geworben, der eine Mehrheit ablehnend gegenüberstehe. Unverantwortlich sei auch, wenn Teile der FDP und der Union die wolkigen Versprechungen der Gentechnikfirmen für bare Münze nehmen und ungeprüft verbreiten würden. Der BUND forderte vom Bundestag die Einrichtung einer Datenbank beim Büro für Technikfolgenabschätzung, in der die Ankündigungen der Unternehmen mit den tatsächlichen Ergebnissen verglichen werden könnten. Den Wünschen der Gentech-Unternehmen nach Grenzwerten für die gentechnische Verunreinigung von Saatgut oder für in der EU nicht zugelassene Gentech-Organismen dürfe nicht entsprochen werden. Nach den alarmierenden Tierversuchen zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Genmais müsse außerdem dessen Zulassung sofort aufgehoben werden.

Die Studie "Die Heilsversprechen der Gentechnikindustrie - ein Realitäts-Check" finden Sie im Internet unter: http:www.bund.net/fileadmin/bundnet/publikationen/gentechnik/20081200_gentechnik_gentechnik_studie_heilsversprechen.pdf