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IPPNW

Die IPPNW, die 1985 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, unterstützt die Forderung der CBG nach Offenlegung des Vertrags zwischen Bayer AG und Universität Köln (alle Infos zur Kampagne)

Offener Brief

Offenlegung der Rahmenvereinbarung zur privilegierten Partnerschaft zwischen der Universität Köln und der Bayer Health Care AG

Berlin, 11. August 2010

Sehr geehrter Herr Prof. Freimuth,

mit großer Sorge nimmt die IPPNW die Weigerung Ihrer Universität zur Kenntnis, den Kooperationsvertrag mit der Bayern Health Care AG offen zu legen. Als Friedensorganisation mit 7000 Mitgliedern befassen wir uns als „Ärzte in sozialer Verantwortung“ u.a. auch mit dem Einfluss der pharmazeutischen Industrie auf die Medizin sowie mit der zunehmenden Ökonomisierung des Gesundheitswesens.

Sie begründen die Nicht-Offenlegung der Rahmenvereinbarung damit, dass von dieser Vereinbarung die Freiheit von Forschung und Lehre berührt werde, auf die der §22, Abs. 3 des Informationsfreiheitsgesetzes von NRW keine Anwendung fände. Diese Rechtsauffassung wird, wie Sie wissen, von der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit von NRW nicht geteilt, da im „Regelungsgerüst ‚Rahmenplanung’“ eher organisatorische Bedingungen und nicht „Forschungsplanung“ im engeren Sinne zu erkennen seien. Sie hat der Universität Köln daher erst kürzlich empfohlen, dem Informationszugangsantrag, den einige Verbände gestellt hatten, zu entsprechen. Da die Universität Köln offenbar von Ihrer Rechtsauffassung nicht abweichen will, bleibt jetzt nur der Klageweg.
Die Offenlegung des Rahmenvertrages, der eine „ privilegierte Partnerschaft“ zwischen der Universität und der Bayer Health Care AG in der Pharmaforschung vorsieht, wurde von einem Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen gefordert, weil sie die Unabhängigkeit der öffentlichen Forschung durch diese Vereinbarung potentiell gefährdet sehen und die Subsumierung öffentlicher Forschung unter wirtschaftlichen Interessen befürchten. Die Forderung nach Offenlegung ist wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung in den Leitmedien auf große öffentliche Resonanz gestoßen. Wir haben uns inzwischen diesem Bündnis angeschlossen.

Wir möchten Ihnen die Gründe dafür darlegen:
Auch wir sehen in der Freiheit von Forschung und Lehre ein hohes Gut, dem unsere Verfassung zu Recht einen großen Stellenwert zuweist. Aber diese Freiheit der Forschung wird heute primär nicht mehr vom Staat bedroht, sondern zunehmend von mächtigen wirtschaftlichen Interessen. Deren Akteure sind rechtlich ihren Aktionären und nicht dem Gemeinwohl verpflichtet. Hier ergibt sich grundsätzlich eine antagonistische Interessenlage zwischen der Universität, deren Forschung weit gehend öffentlich finanziert wird, und der Industrie.

Eine Kooperation zwischen Universität und Industrie in der klinischen Forschung ist oft sinnvoll und notwendig. Eine Zusammenarbeit ist daher zu begrüßen, wenn sie zu beiderseitigem Vorteil ist und der Vorteil der Zusammenarbeit für die Universität im öffentlichen Interesse, d.h. in diesem Fall im Interesse öffentlicher Gesundheit liegt. Dem erwähnten konstitutiven Interessensgegensatz kann u.E. nur begegnet werden, wenn die Bedingungen der Zusammenarbeit transparent sind.

Der Einfluss der pharmazeutischen Industrie auf die Medizin und die medizinische
Forschung ist inzwischen enorm und gefährdet die Unabhängigkeit der Forschung und die Integrität des ärztlichen Berufsstandes, wie einschlägige Studien nahe legen. Industrie finanzierte klinische Studien werden inzwischen – im Gegensatz zu früher – weit gehend durch die Industrie kontrolliert: vom Studiendesign, über die Auswertung bis zur Publikation. Akademische Forscher sind oft nicht mehr Herr über die Studien und ihre Ergebnisse. Um den wirtschaftlichen Erfolg eines Medikamentes nicht zu gefährden werden negative Studienergebnisse häufig unterdrückt, Informationen über gefährliche unerwünschte Arzneimittelwirkungen zurückgehalten, für den Patienten irrelevante Endparameter für die Wirksamkeit gewählt. Auch das ist vielfältig dokumentiert. Erst kürzlich hat eine Studie der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz auf diese Zusammenhänge und die Formen der Einflussnahme auf Arzneimittelstudien durch pharmazeutische Unternehmen hingewiesen (Dtsch Ärztebl 107 (16): 279-85 und 107
(17): 295-301).

Darin heißt es: „Auf vielen Ebenen muss dafür gesorgt werden, dass kommerzielle
Interessen nicht die Kenntnisse über eine wissenschaftlich korrekte Studienplanung, - durchführung und Publikation unterminieren.“ Ärzte und Ärztinnen, die an Arzneimittelstudien mitwirken, „sollten dabei zum Wohle der Patienten verstärkt Verantwortung übernehmen, indem sie den wirtschaftlichen Eigeninteresse der pharmazeutischen Unternehmen in Forschung und Klinik entgegenwirken.“

Die Industrie hat primär Gewinninteressen. Sie entwickelt z.B. aus primär kommerziellen Gründen zu etwa 70 % sog. me too Präparate, die keinen oder nur einen geringen Zusatznutzen gegenüber herkömmlichen Therapien haben, während echte Innovationen eher die Ausnahme sind. An solchen Forschungen besteht kein wirkliches öffentliches Interesse und daran sollten sich u. E. öffentliche Forschungsinstitute wegen der Fehlallokation von Mitteln nicht beteiligen.
Zu benennen sind weiterhin die vielfältigen Interessenskonflikte, denen klinische Forscher in der Zusammenarbeit mit Pharmaunternehmen ausgesetzt sind, und die ebenfalls ein Gefahr für die Unabhängigkeit und Objektivität der Forschung darstellen, ohne dass hierauf näher eingegangen werden kann.
Angesichts dieser hier nur kurz skizzierten Fehlentwicklungen und Problemlage bedarf es u.E. dringend einer größeren Distanz zwischen akademischer Medizin und pharmazeutischer Industrie, vor allem aber einer größeren Sensibilität gegenüber dem berechtigten Verlangen der Öffentlichkeit nach weitgehender Transparenz der Beziehungen zwischen Akademie und Pharmaindustrie. Ein Blick in die USA zeigt, welche Konsequenzen man inzwischen sowohl in der akademischen Medizin wie in der Gesetzgebung zieht, um Transparenz herzustellen und den unzulässigen Einfluss der Pharma- und Geräteindustrie auf die akademische Medizin einzudämmen.

Die Universität Köln wäre u.E. daher gut beraten, den Rahmenvertrag offen zu legen. Sie könnte dadurch nur gewinnen und einen weiteren Imageschaden vermeiden. Mit dem Schutz von Freiheit der Forschung lässt sich die Weigerung der Universität, dies zu tun, nach unserem Kenntnisstand nicht begründen. Im Gegenteil. Gerade die Offenlegung würde das Vertrauen der (Fach-) Öffentlichkeit in die Unabhängigkeit und Integrität klinischer Forschung der Universität Köln gegenüber starken wirtschaftlichen Interessen stärken.

Mit freundlichen Grüssen
Dr. Dieter Lehmkuhl
Vorstandsmitglied IPPNW

13. August 2010 / junge Welt

»Die Industrie kontrolliert medizinische Forschung«

Kooperation zwischen Kölner Universität und Bayer: Ärzte fordern Offenlegung von Geheimverträgen. Ein Gespräch mit Dieter Lehmkuhl

Dieter Lehmkuhl ist Vorstandsmitglied der IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung) und Arzt im Ruhestand

Sie haben in einem offenen Brief den Rektor der Universität Köln aufgefordert, die Vereinbarung zur Partnerschaft zwischen der Universität und Bayer Health Care offenzulegen. Was ist hinter der Geheimhaltung zu befürchten?
Wenn man sich die Entwicklung des Verhältnisses von der Pharmaindustrie zur Medizinforschung in den vergangenen zehn oder zwanzig Jahren anschaut, gibt es Grund zur Beunruhigung. Es gibt viele Interessensverflechtungen, die oft nicht transparent sind. Die Industrie hat wachsenden Einfluß auf die medizinische Forschung an den Universitäten. Häufig kontrolliert sie die Medikamentenstudien, so daß klinische Forscher nur noch Erfüllungsgehilfen sind. Studienergebnisse werden mitunter auf diese Weise manipuliert: Erwünschte Ergebnisse im Interesse der Pharmaindustrie werden hervorgehoben, unerwünschte stattdessen geheimgehalten. Das wirkt sich auf die Behandlung von Patienten aus, die aus diesem Grund gesundheitliche Schäden erleiden. Zahlreiche Studien belegen das. Die Universität hat als öffentliche Einrichtung jedoch eine besondere Verantwortung, die Unabhängigkeit der Forschung zu gewährleisten.

Die Universitätsleitung weigert sich, auf Ihre Forderung nach kompletter Offenlegung der Vereinbarung zu reagieren…
Eine Transparenz der vertraglichen Bedingungen der Forschungspartnerschaft ist unbedingt erforderlich. Es ist interessant, daß die Universität zunächst mit Betriebsgeheimnissen argumentiert und Konkurrenznachteile gegenüber zukünftigen anderen Partnern von Bayer fürchtet, wenn ihre privilegierten Kooperationsbedingungen öffentlich werden. Weiterhin argumentiert sie mit der Wissenschaftsfreiheit. Der Landesdatenschutzbeauftragte Ulrich Lepper pocht aber auf Veröffentlichung. Dabei beruft er sich auf das sogenannte Informationsfreiheitsgesetz, das jedem Bürger das Recht zuspricht, Zugang zu amtlichen Daten zu erhalten.

Was ist der neueste Stand der Debatte?
Aufgrund der Forderungen eines Bündnisses von zehn Organisationen, angeführt von der Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG), hat die Universität einige Informationen preisgegeben. Doch ganz wesentliche Fragen bleiben offen; beispielsweise die nach den Eigentumsverhältnissen von den in der Forschungsgemeinschaft entwickelten Produkten. Welchen Anteil der Gewinne erhält die Universität als öffentliche Einrichtung bei der Vermarktung der Produkte? Liegen die Verwertungsrechte ausschließlich bei Bayer? Das würde bedeuten, daß eine Mitsprache der Universität bei späteren Entscheidungen zur Verwertung der gemeinsam entwickelten Produkte von vornherein ausgeschlossen ist. Zu fordern wäre beispielsweise eine Sozialklausel, die dafür sorgt, daß wichtige Medikamente auch in der Dritten Welt zu bezahlbaren Preisen zur Verfügung gestellt werden. Zudem könnte es auch sein, daß die Geheimhaltungs- und Nichtverwendungsverspflichtung der Patente von Medikamenten die spätere Forschung der Universität selber einengt. So wird wissenschaftlicher Austausch behindert. Zu bemerken ist zudem, daß die Pharmaindustrie nicht so innovativ ist, wie sie immer behauptet. 70 Prozent der Präparate haben keinen oder nur einen geringen Zusatznutzen gegenüber herkömmlichen Therapien. An solchen Arzneimittelstudien sollte sich keine Universität beteiligen.

Sie werden den Rechtsweg beschreiten müssen. Auf welcher gesetzlichen Grundlage werden Sie klagen?
Es ist beabsichtigt, Klage einzureichen. Das Informationsfreiheitsrecht muß umgesetzt werden, die Bürger müssen informiert werden. Gerade bei Public Private Partnership-Projekten (PPP) ist das von grundlegender Bedeutung. Die Universität ist eine mit Steuermitteln finanzierte öffentliche Einrichtung; ihre Entwicklung darf nicht durch Kapitalinteressen gesteuert werden. Interview: Gitta Düperthal