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Nanotubes

Der Deutschlandfunk berichtet über die Risiken von Nanotubes. Größter Hersteller in Deutschland ist die Bayer AG. Wir protestieren dagegen, dass die Anlage in Leverkusen als Versuchsanlage genehmigt wurde (alle Infos zur Kampagne).

17.10.2011, Deutschlandfunk, Forschung Aktuell

Gefahrenquelle Nanoteilchen

Nach zehn Jahren Risikoforschung an Nanomaterialien ziehen Wissenschaftler Bilanz

Nanopartikel aus Silber als Abhilfe gegen miefende Socken, kleinste Körnchen aus Eisenoxid als Kontrastmittel in der Medizin: Längst haben Nanomaterialien die Labore verlassen und den Weg zum Verbraucher gefunden. Allerdings: Toxikologen sehen das kritisch.

Gerade einmal knapp 60 Seiten dick ist das gemeinsame Statuspapier von DECHEMA und VCI. Daher kann es auch nur einen groben Überblick geben über die unzähligen Forschungsprojekte, die zum Thema Nanosicherheit in Hinblick auf die Folgen für Umwelt und Gesundheit durchgeführt wurden - auf Seiten der Industrie, an Universitäten und anderen Forschungsinstituten. Eher ein Mosaik aus einzelnen Steinchen als ein geschlossenes Bild. Trotzdem konnten die Experten mindestens einen "Bösewicht" im Zwergenreich ausmachen, sagt Harald Krug von der schweizerischen EMPA in St. Gallen und Vorsitzender des Arbeitskreises, welcher das Papier nun vorgelegt hat:

"Ein Bösewicht, ja, kann man schon sagen. Es gibt Materialien, die unter Verdacht stehen, gewisse Reaktionen hervor zu rufen. Und das, wo wir uns jetzt in der Industrie und auch in der Akademie am meisten Sorgen machen, möchte ich mal sagen, das sind die Kohlenstoff-Nanoröhrchen."

Denn von Anfang an standen diese winzigen, faserförmigen Teilchen unter Verdacht, dass sie die Atemwege schädigen können. Das habe sich zum Teil bestätigt, sagt der Toxikologe. Vor allem können die Experten mittlerweile anhand der Beschaffenheit der Nanoröhrchen deren Effekt im Körper abschätzen.

"Und hier ist ganz besonders zu erwähnen, dass die ganz besonders langen und diejenigen, die versteift sind, das heißt mehrwandig sind, und dicke, feste Aggregate bilden, die sind besonders kritisch. Weil: Sie können die Lunge verletzen, sie können zu Entzündungsreaktionen führen und sie können bei dauerhafter Belastung eben auch zu Tumoren führen, also zu Krebs."

Diese Nanoröhrchen ähneln in ihrer Struktur und in ihren Eigenschaften solchen Fasern wie Asbest. Bei beiden ist es die Länge, die verhindert, dass die Fremdkörper aus der Lunge ausgeschieden werden können. Denn die Fresszellen des Immunsystems sind mit solchen Dimensionen schlicht und einfach überfordert. Die Nanoröhrchen bleiben dauerhaft im Gewebe und richten Schaden an.

"Gleichzeitig haben aber die gleichen Studien auch nachgewiesen, dass wenn sie kurz sind und weniger aggregiert sind und flexibel sind, sie diese Effekte definitiv nicht haben. Also man kann schon abschätzen: Welche Materialien haben welches gesundheitliche Risiko."

Zu Beginn der Risikoforschung an Nanomaterialien dominierten noch Studien, die sich mit der grundlegenden Wirkung der Teilchen im Körpergewebe beschäftigten. Mittlerweile sei man mehr und mehr dazu übergegangen, den kompletten Lebenszyklus eines Produkts, das Nanopartikel enthält, zu bewerten, sagt Péter Krüger von der Bayer MaterialScience AG, der an dem Papier mitgewirkt hat.

"Im Sinne Arbeitsschutz während der Herstellung, während der Verarbeitung. Dann die Frage: Inwieweit könnten solche Fragmente während einer Nutzungsphase freigesetzt werden, eventuell einen Konsumenten damit in Berührung bringen. Und dann eben die Frage: Was geschieht am Ende der Verwendung, am Ende der Nutzung, also Wiederverwertung, Recycling. Und das ist im Prinzip auch erst möglich, wenn man die Anwendung kennt."

Doch auch nach zehn Jahren Forschung sind noch lange nicht alle Fragen beantwortet. In Zukunft werden sich die Forscher in der Nanosicherheit darauf konzentrieren, den Pfad der Substanzen in der Umwelt zu verfolgen, glaubt der EMPA-Experte Harald Krug.

"Kann man nachweisen, dass es in bestimmten Umweltkompartimenten Anreicherungen gibt, wenn denn aus Hausfassadenfarben beispielsweise Titandioxid ausgewaschen wird. Und auf dem gesundheitlichen Sektor sind es ganz wichtig Langzeitfragen. Also die Kurzzeitfragen können wir alle schon sehr gut beurteilen. Aber bei den Langzeitfolgen haben wir noch Nachholbedarf, da müssen wir noch ein wenig Gehirnschmalz als auch Geld aufwenden, um diese Fragen zu beantworten." Von Arndt Reuning