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Indien

junge Welt, 29. März 2004

Bayers Gift

Einsatz von Pestiziden fordert immer mehr Tote auf Indiens Baumwollfeldern

Die TV-Journalistin Inge Altemeier hat in Indien skandalöse Fakten über die Praktiken des Chemiemultis Bayer ans Tageslicht befördert. Durch die Pestizide von Bayer werden ihren Recherchen zufolge im südindischen Baumwollgürtel Tausende Landarbeiter vergiftet. Laut Altemeier kommt es täglich zu Todesfällen. Die Landarbeiter werden nicht über die Risiken des Gifteinsatzes aufgeklärt und besitzen in der Regel nicht einmal Schutzkleidung. Allein im Krankenhaus der Provinzhauptstadt Warangal müssen demnach monatlich bis zu eintausend Fälle behandelt werden.

Bayer ist weltweit der zweitgrößte Pestizidproduzent und der größte Anbieter auf dem indischen Markt für Unkrautvernichtungsmittel. Große Mengen von in Europa nicht mehr zugelassenen Produkten wie Monocrotophos lasse der Konzern von Subunternehmern produzieren - besonders im Industriegebiet von Vapi im Bundesstaat Gujarat. Aufgrund fehlender Sicherheitsstandards seien Unfälle dort an der Tagesordnung. Das Grundwasser ganzer Landstriche, so Altemeier, ist mit Agrogiften verseucht, so daß sich die Bewohner aus Tankwagen versorgen müßten. Sie seien dadurch gezwungen, einen großen Teil ihres Einkommens für ihre Versorgung mit Trinkwasser auszugeben.

Die von Bayer vertriebenen Pestizide gelangen Altemeier zufolge über die Baumwolle auch in die Textilproduktion. Die dort beschäftigten Arbeiterinnen atmen die Gifte in großen Mengen ein. Am Textilstandort Tripur beträgt den Statistiken zufolge die Lebenserwartung lediglich 35 Jahre. Markus Saxinger von der Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG) fordert: "Die von der WHO mit der Gefahrenklasse eins gekennzeichneten Pestizide müssen sofort vom Markt genommen werden, sonst sterben immer mehr Menschen."

Bei der Verwendung von Agrogiften ist der Baumwollgürtel im Bundesstaat Andrha Pradesh "Weltspitzenreiter". Untersuchungen über einen Zeitraum von 20 Jahren zeigen auf, daß die Belastung der täglichen Nahrung, wie Gemüse, Milch, Getreide und Wasser, kontinuierlich anstieg. Zunehmend werden Mißbildungen von Kindern beobachtet, auch die Krebsrate steigt. Aufgrund von Resistenzbildung werden immer größere Giftmengen eingesetzt.

Bereits 1995 hatte der Leverkusener Konzern angekündigt, "Produkte, die von der Weltgesundheitsorganisation in die Klasse eins für hochgiftige Substanzen eingestuft werden, durch weniger giftige zu ersetzen". Dieses Versprechen wurde jedoch bis heute nicht eingehalten. Greenpeace wirft Bayer daher eine "moderne Form des Rassismus" vor.

Klaus Schramm