Drücke „Enter”, um zum Inhalt zu springen.

[WECF] Chemikaliensicherheit

CBG Redaktion

Women in Europe for a Common Future, Daniela Rosche

Bayer Jahreshauptversammlung, 28 Mai 2006

Fragen und Ansprache an den Bayer Vorstand

Sehr geehrter Vorstand, liebe Aktionäre,

im Namen von Women in Europe, freue ich mich, erneut das Wort an sie zu richten. Bereits im letzten Jahr hatte ich mich an sie gewandt. Damals mit der Aufforderung, den Vorschlag fuer eine neue europäische Chemikalienverordnung, REACH genannt, zu unterstützen. Als internationales Netzwerk von Frauenorganisationen sind wir sehr besorgt ueber den Anstieg von Atemwegkrankheiten, Allergien, Unfruchtbarkeit und Krebs der mit Umweltverschmutzung und Bloßstellung an gefährliche Chemikalien verbunden ist.

Im letzten Jahr hoffte ich, sie mit meiner Rede überzeugen zu können, daß eine effektive Neuordnung der europäischen Chemikaliengesetzgebung auch zu ihrem Vorteil ist. Denn REACH würde die alltäglichsten Konsumentenprodukte, vom Haarshampoo zum MP3 Spieler, sicherer machen. Sichere Produkte, so unsere Ansicht, würden nicht nur Ihren Umsatz erhöhen, sondern nebenbei auch die Gesundheit von Frauen, Kindern und natuerlich auch die Umwelt schützen.

Inzwischen ist REACH einen Schritt weiter im Gesetzgebungsverfahren. Nach der ersten Lesung des Vorschlages durch das Europaparlament und die EU-Mitgliedstaaten im Rat ist ist eine historische Chance verspielt worden. So wie REACH im Moment steht, kann es den ursprünglichen Zielen, nämlich ein hohes Mass an Schutz von Gesundheit und Umwelt zu gewährleisten, nicht gerecht werden. Ein Grund dafür ist, dass 20.000 REACH-Stoffe nicht ausreichend untersucht werden müssen. Auch ist unklar, was in der Frage der Substitution gefährlicher Stoffe beschlossen wird.

Bisfenol-A ist ein solcher gefährlicher Stoff, und er wird von Bayer produziert, denn er ist ein Grundbaustein von Polycarbonat. Wie eine Vielzahl von verlässlichen wissenschaftlichen Studien zeigt, ist Bisfenol- A eine giftige Chemikalie. Zunächst ist die Chemikalie aufgrund seiner stofflichen Eigenschaften giftig für das Immunsystem, das Nervensystem und die menschliche Fortpflanzung gemäss des europäischen Klassifizierunssystems für Gefahrenstoffe. Konkret gesagt kann Bisfenol-A die Gehirnentwicklung von Ungeborenen und Kindern stören und Fehlgeburten verursachen. Darüber hinaus wirkt Bisfenol-A bereits in sehr niedrigen Dosen, wie durch Tests bewiesen wurden. Die Tatsache, dass dieser gefährliche Stoff in den menschlichen Koerper gelangt, ist durch Urinproben, Blutproben und selbst Nabelschnurproben nachgewiesen worden.

Ein weiterer Gesundheitsaspekt von Bisfenol A, der besonders Frauen betrifft, ist die Eigenschaft von Bisfenol A, Brustkrebs zu verursachen. Dies ist erst im letzten Jahr von Wissenschaftlern bestätigt worden, wie das wissenschaftliche Magazin, Nature, berichtete. Auch der amerikanische Breast Cancer Fund bezieht sich in seinem Jahresbericht 2006 auf diesen Tatbestand.

Im Sinne von intelligentem Design sah REACH vor, derart gefährliche Stoffe durch weniger gefährliche Alternativen zu ersetzen. Dies ist eigentlich kein schwieriges Verfahren und entspricht vielmehr gesundem Menschenverstand. Substitution ist common sense! Sicher sind unschädliche Alternativen nicht im Supermarkt erhältlich. Dazu muss man gezielt forschen, und dies erfordert Investitionen.

Wir erwarten von ihnen, dem Management der Bayer AG, dass Sie Verantwortung für ihre Produkte übernehmen und beginnen, nach unschädlichen Alternativen für Stoffe wie Bisfenol-A und anderen in ihrer Produktpalette zu suchen. Die Polycarbonat Sparte von Bayer ist im letzten Geschaeftsjahr ausserordentlich gut gewachsen. Sie verzeichnet einen Anstieg von 30%. Wir finden, dass Sie einen Teil dieses Gewinnes gezielt in die Forschung nach Alternativstoffen investieren müssen. Dies bedeutet eine Investition in die Zukunft, eine gesunde Zukunft für alle Frauen und die kommenden Generationen ohne mögliche Gesundheitsschäden wie Brustkrebs, Prostatakrebs und vielen anderen.

Wir erwarten von ihnen, liebe Aktionäre, dass auch sie ihrer gesellschaftlichen Pflicht nachkommen und den Vorstand in der Frage der Reinvestion von Gewinnen zur Forschung nach unschädlichen Alternativen von Bisfenol A und anderen in der Bayer Produktpalette zu unterstützen. Wir können uns nicht vorstellen, dass ein Chemie-Skandal um Bayer in ihrem Interesse ist.

Auf politischer Ebene fordern wir Sie auf, Herr Dr. Wenning, daß Sie sich in ihrer Funktion als Vorstandsvorsitzender des VCI für den Ersatz von gefährlichen Chemikalien in REACH stark machen. Für uns ist es einfach inakzeptabel, dass Stoffe die Krebs erregen, das menschliche Erbgut verändern, die Fortpflanzung schädigen, die Funktion des Hormonsystems stören und sich über Generationen im Menschen anreichern auf dem Markt bleiben. Deutlicher formuliert, wir wollen keine schädlichen Chemikalien, wie Bisfenol A in Nuckelflaschen, Lebensmittelverpackungen, Konservendosen, Nagellack, Zahnfüllungen und vielen anderen Konsumgütern. Menschen bevorzugen Produktsicherheit dem Risiko.

Es wird of behauptet wird, dass sich der Markt selbst reguliert und deshalb keine Gesetze braucht. In der Frage der Substitution von gefährlichen Chemikalien, braucht man jedoch zunächst einmal das Wissen um unschädliche Alternativen. Diese zu entdecken erfordert eine systematische Herangehensweise und intensive Forschung. Gesetze wie REACH bieten in dieser Frage ein Sicherheitsrahmen und garantieren eine Harmonisierung in dem jeder am Markt der am Markt beteiligt ist, den gleichen Bedingungen unterworfen ist. Die Unternehmen, die hier gezielt und konsequent agieren, werden mit einem Wettbewerbsvorteil und vorallem mit höheren Gewinnen belohnt.

Wie die Erfahrung mit schädlichen Stoffen, wie Asbest, DDT, PCBs und anderen zeigt, ist es nicht ausreichend auf die Gesetze des Marktes zu vertrauen und zu warten bis sich erst eine Katastrophe einstellt.

Für jede 7. Frau die derzeit an Brustkrebs erkrankt und Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch ist die Katastrophe schon längst eingetreten.