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BAYER: Back in Brazil

CBG Redaktion

Politische Landschaftspflege nach dem Regierungswechsel

Im letzten Jahr hatte das Stichwort BAYER über den Lobbyismus des BAYER-Konzerns in Brasilien zur Zeit der Regentschaft des extrem rechten Jair Bolsonaro berichtet. Nach dem Regierungswechsel zu Lula setzt sich diese Einfluss-Arbeit bruchlos fort.

Von Jan Pehrke

„Great to be back in Brazil!“, postete der BAYER-Chef Werner Baumann Anfang des Jahres auf LinkedIn und berichtete stolz von seiner Teilnahme an der Amtseinführung des neuen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva. An der Seite von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Umweltministerin Steffi Lemke hatte er der Zeremonie beigewohnt. Darauf beschränkte sich sein Besuch allerdings nicht: „Ich konnte auch direkt wichtige Mitglieder von Lulas neuem Kabinett, darunter den Vize-Präsidenten und Wirtschaftsminister Geraldo Alckmin und den neuen Landwirtschaftsminister Carlos Fávaro treffen.“

Für Alckmin war die Zusammenkunft mit Baumann sein erster Termin als Minister; offiziell übernahm er die Geschäfte erst zwei Tage später am 4. Januar. Und der Politiker ließ den Wirtschaftsboss nicht mit leeren Händen gehen. Er sicherte dem Manager zu, die Bearbeitungsdauer von Patentanträgen, die sich bisher auf rund vier Jahre beläuft, zu reduzieren. „Wir werden uns bemühen, diese Zeit auf weniger als die Hälfte zu verkürzen. Das ist für die Unternehmen von grundlegender Bedeutung“, erklärte das Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Brasiliens (PSDB). Und schon zehn Wochen später war BAYER wieder vor Ort. EmissärInnen des Leverkusener Multis gehörten zu der Delegation, welche Robert Habeck und Cem Özdemir zu den deutsch-brasilianischen Wirtschaftstagen nach Belo Horizonte begleitete.

Fávaro bei BAYER

Im März konnte der Agro-Riese dann mal wieder auf Carlos Fávaro zählen. Der Minister beehrte die BAYERs Festveranstaltung zur Lancierung des „Soja-Innovationsclubs“, mit dem der Global Player den Absatz seiner „Intacta2-Xtend“-Produktionsreihe befördern will. Und Fávaro war längst nicht der einzige prominente Gast. Dem Event wohnten nicht nur drei seiner Vorgänger bei, es nahmen auch Roberto Perosa, Renata Bueno Miranda und Carlos Ernesto Augustin vom Landwirtschaftsministerium teil.

Dabei war der „Minister für Landwirtschaft, Viehzucht und Versorgung“ in seiner früheren Eigenschaft als Präsident der Vereinigung der Soja- und Mais-Produzenten von Mato Grosso auch schon mal heftiger mit BAYERs jetziger Tochter-Gesellschaft MONSANTO aneinandergeraten. Diese hatte von den LandwirtInnen nämlich neben dem Kaufpreis für das Saatgut auch noch eine Art Ernte-Steuer verlangt. Als unfair brandmarkte Fávaro dieses Abgabe-System im Jahr 2012. Überdies beklagte er sich über die „MONSANTO-Spione“, die über die Felder ziehen und Bauern und Bäuerinnen bezichtigen, Pflanzen des Konzerns anzubauen, ohne Lizenz-Gebühren zu zahlen.

Konzertierte Aktion

Das alles spielte bei dem Großevent aber keine Rolle mehr. Fávaro nutzte seinen Auftritt, um auf die Dringlichkeit hinzuweisen, das Ansehen des brasilianischen Agrar-Sektors im Ausland zu verbessern. Er sieht dessen schlechten Ruf nämlich als geschäftsschädigend an. „Der ausländische Markt weiß nicht, dass die große Mehrheit unserer Erzeuger mit großer Kompetenz und Respekt für die Umwelt arbeitet. Das ist die Herausforderung: zu zeigen, dass unsere Erzeuger effizient und modern sind und die Umwelt respektieren“.

Der Leverkusener Multi teilt diese Auffassung. Besonderen PR-Einsatz zeigte er in Sachen „Mercosur-Abkommen“. Der Global Player hat nämlich ein großes Interesse am Abschluss des Vertrages zwischen der Europäischen Union und Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay, zählt er doch auf beiden Seiten zu den Begünstigten. Er profitiert sowohl vom schrittweisen Wegfall der Einfuhrzölle auf Pestizide und Pharmazeutika, den die vier Staaten gewähren, als auch von den Zugangserleichterungen zum EU-Markt, welche die 27 Mitgliedsländer dem lateinamerikanischen Agro-Business einräumen. Also verpflichtete er den Brüsseler Thinktank ECIPE, um etwas für das Ansehen der Landwirtschaft Brasiliens zu tun. So legten die ECIPE-StrategInnen den Soja- und Mais-BaronInnen etwa ans Herz, sich kleinzumachen. „Die Europäer legen Wert auf Produkte aus kleinen, regionalen Erzeugerbetrieben“, lautete die Empfehlung auf einer Veranstaltung der brasilianischen „Agentur für Export- und Investitionsförderung (APEX). Und „CropLife Brasil“ als Branchen-Verband der Agro-Multis gibt sich klima-bewusst und buhlt um die Gunst Greta Thunbergs. So bekundete der ehemalige BAYER-Manager Christian Lohbauer, der bis Oktober 2022 den Vorsitz innehatte: „Wir wollen Greta zeigen, dass wir keine Schurken sind.“
Viel mehr als eine solche Oberflächen-Polidur hat auch Fávaro nicht im Sinn. Seine Ansichten zu einer umweltschonenderen Landwirtschaft, die er bei der Inaugurierung von BAYERs Soja-Club zum Besten gab, muten recht abenteuerlich an. Mit einem puren „Weiter so“ und sogar noch ein bisschen mehr will er die Kurve kriegen. „Die Verringerung des Produktionsumfangs kann für einige Länder ein Modell sein. Aber was für das eine funktioniert, muss nicht für das andere gelten. Was zählt, ist das Endergebnis: eine Produktion, die die Umwelt respektiert. Ich verteidige den Vorschlag, nachhaltig zu produzieren und zu intensivieren“, konstatierte er. Nicht weniger als die Qua-dratur des Kreises schwebte ihm also vor. Und es blieb nicht bei Vorschlägen. Zur Freude seines Gastgebers kündigte der Ministro an, rund 40 Millionen bisher als Vieh-Weiden genutzte Hektar dem Ackerbau zuzuschlagen. „Damit verdoppeln wir praktisch alles, was von 1500 bis heute gemacht worden ist“, erklärte er stolz.
An den Cash Crops, die das Land in ausladenden Monokulturen überziehen, hält Carlos Fávaro ebenfalls fest. Dem Mais erbrachte er auf dem Kongress des Verbandes der Mais-Erzeuger sogar eine wahre Huldigung. Als „die große brasilianische Berufung“ pries er dort die Frucht: „Mais ist die Quelle, die die Agrarwirtschaft antreibt.“ Ihm zufolge hängen nämlich auch die Produktionsketten von Soja, Baumwolle und Weizen vom Mais ab. Daher sicherte er den Mais-BaronInnen die volle Unterstützung der Regierung Lula zu.

Das Gift-Paket

Nur in einem konkreten Fall macht Fávaro Ernst. Er geht auf Distanz zu dem Pestizid-Gesetz, das die Regierung Bolsonaro auf den Weg brachte und zur Zeit den legislativen Prozess durchläuft. Dieses Paragrafen-Werk hebelt unter anderem das Vorsorge-Prinzip aus und sieht Verbote von Agro-Chemikalien nur noch bei „inakzeptablen Risiken“ vor. Zudem schwächt es die Stellung der Umweltbehörde IBAMA und der Gesundheitsbehörde ANVISTA in den Zulassungsverfahren zugunsten derjenigen des Landwirtschaftsministeriums und beschleunigt den Genehmigungsprozess generell.

KritikerInnen bezeichnen das Maßnahmen-Bündel folgerichtig als „Poison Package“. BAYER & Co. hingegen tun alles dafür, um es durchzubringen. Sie lobbyieren mit Hilfe ihrer Branchen-Verbände Sindiveg, ABAG und „Croplife Brasil“ kräftig für das PL 6299/2002 und bedienen sich dabei der „Bancada Ruralista“, einer überparteilichen, sich dem Agro-Business verpflichtet fühlenden ParlamentarierInnen-Gruppe im brasilianischen Kongress. Dieser winkte das Gift-Paket im Februar 2022 dann auch durch. Nun fehlt nur noch die Zustimmung des Senats. Einstweilen streuten aber Umweltgruppen wie die „Permanente Kampagne gegen Agrar-Gifte und für das Leben“ Sand ins Getriebe: Sie erreichten eine Prüfung des Gesetzes durch die Umwelt-Kommission des Senats.

Carlos Fávaro nun gab in einem Interview der Hoffnung Ausdruck, dass sich die verschiedenen Ministerien bei den Genehmigungen weiterhin abstimmen werden und das Landwirtschaftsministerium kein Pestizid durchwinkt, das Umwelt- und/oder Gesundheitsbehörde als problematisch beurteilt haben. Brasilien sollte „die Gesetzgebung und die Verfahren nicht aufweichen, sondern die Prozesse modernisieren und effizienter gestalten“, meinte der Minister mit Blick auf die Außenwirkung. Damit ist das Schicksal des mittlerweile unter der Laufnummer PL 1459/2022 firmierenden Gift-Pakets aber längst noch nicht besiegelt. Die Regierung Lula verfügt nämlich nur über eine äußerst schwache Mehrheit, und BAYER & Co. werden nicht locker lassen in ihren Lobby-Bemühungen – nicht nur auf diesem Feld. Erste Erfolge konnten sie da schon verzeichnen. Ende Mai schwächte der Kongress Maßnahmen zum Schutz des Regenwalds ab. Zudem beschnitt er die Kompetenzen der für die Umweltpolitik verantwortlichen Ministerin Marina Silva und ihrer für indigene Angelegenheiten verantwortlichen Kollegin Sônia Guajajara. Silva verlor die Zuständigkeit für das Umwelt-Register CAR, in dem alle schützenswerten Güter vom Regenwald bis zu Fluss-Auen und Berg-Gipfeln verzeichnet sein müssen, an das Ministerium für den Öffentlichen Dienst. Und Guajajara darf in der immer wieder zu Konflikten führenden Frage der indigenen Landrechte keine Entscheidungen mehr treffen. Das obliegt nun dem Justizministerium.